Teebauern im Porträt - Südindien, Korakundah
14. November 2023
Daniel Mack, Leitung Tee-Einkauf
Tea Taster Blog | Teereisen in den Ursprung | I made your tea Teereisen, teeursprung, lieferkette
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Nach meinem Zivildienst bin ich in die Hansestadt Bremen gezogen, um meine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann anzufangen. Das hätte ich natürlich auch irgendwo nahe meiner Heimat (Aachen) machen können, aber ich wollte unbedingt im Teehandel arbeiten. Also Umzug und Norddeutsch lernen!
Das ist mittlerweile 20 Jahre her und ich bin – gottseidank – immer noch im Teehandel tätig. Nichts anderes könnte ich mir vorstellen. Was ich in all den Jahren allerdings nie geschafft habe, war eine Reise nach Indien zu machen. Eigentlich unvorstellbar, dass ein Tea Taster noch nie in Indien war! Allerdings sind meine Haupteinkaufsgebiete historisch in anderen Regionen angesiedelt, weshalb ich erst im April 2023 meine Koffer gen Kerala / Tamil Nadu gepackt habe.
Nach einem kurzen Zwischenstopp in Sri Lanka, erwartet mich mein Freund Bipin in Coimbatore. Er hat mich in ein Hotel nahe dem Flughafen einquartiert, weil wir am kommenden Tag direkt weiter möchten. Keiner von uns beiden jedoch hatte mit der indischen Hochzeitsgesellschaft im Hotel gerechnet, die mir eine sehr unterhaltsame, wenngleich auch sehr kurze Nacht bescherte!
Dirt Roads und Null Mobilfunk - Welcome to the Nilgiris!
Am Morgen bediene ich mich am reichhaltigen, indischen Buffet und bereue unmittelbar, nicht nach dem Schärfegrad der Speisen gefragt zu haben. Aber egal, wir sitzen ja noch etwas im Auto und meine Geschmacksknospen können sich erholen.
Überraschend zielsicher führt uns das Navigationssystem durch enge Gassen und „dirt roads“, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie digital erfasst würden. Nach einiger Zeit vibriert mein Mobiltelefon, es findet keinen Sendemast mehr und ist offline – „Welcome to the Nilgiris!“ lacht Bipin, der ebenfalls kein Signal mehr hat.
Wir werden von Shilajit und Rajkumar empfangen. Ich kenne sie zwar noch nicht persönlich, sie aber kennen Thomas Holz seit vielen Jahren. Die Teewelt ist auch in Südindien klein, ich erfahre, dass sie uns „von früher“ kennen, als sie noch in anderen Teegärten gearbeitet haben, die wir ebenfalls noch besuchen werden.
Ein Teegarten wie ein ganzes Dorf
Der Teegarten Korakundah ist eigentlich ein ganzes Dorf. Mehrere hundert Menschen leben und arbeiten hier. Einige davon gar nicht im Tee, sondern in der Molkerei, dem Kindergarten oder der Schule. Ach ja, über ein Krankenhaus verfügt Korakundah ebenfalls, das wurde mit Fairtrade-Mitteln gebaut und ist nicht nur für die Mitarbeiter des Teegarten zugänglich, sondern auch für die Bewohner der naheliegenden Dörfer. Zweimal in der Woche kommen Fachärzte aus Coimbatore, die in weiteren Disziplinen geschult sind, neben den stets anwesenden Internisten.
Teeanbau in den Nilgiris
Der Teeanbau in den Nilgiris begann rund um das Jahr 1878. Damals wurden die Teesträucher aus China importiert, im Laufe der Zeit aber durch eigene Züchtungen – beispielsweise aus Assam – ersetzt.
Korakundah besitzt dennoch einige Teilbereiche des Gartens, die auf die originalen China-Büsche setzen. Diese haben einen anderen Geschmack, wenn sie verarbeitet werden, deswegen behält man sie, z.B. um daraus Spezialitäten wie unsere Nr. 2670 herzustellen.
Darüber hinaus verarbeitet man die Blätter zu bio-zertifiziertem Schwarz- und Grüntee. Die verschiedenen Gattungen und Verarbeitungsformen fließen bei uns in ein breites Feld an Teekreationen ein und bieten ganz unterschiedliche Charaktere für ganz unterschiedliche Teegeschmäcker.
Shilajit und Rajkumar führen uns durch den Garten, steigen in den zuverlässigen Mahindra Jeep und wir rumpeln und pumpeln über die Straßen. Vereinzelt sehen wir Pflückerinnen bei der Arbeit, es ist Mittagszeit und alle anderen sind in der Pause. Verpflegung wird zentral gekocht und kostenlos bereitgestellt, die eigene Molkerei liefert die Milchprodukte, Gemüse wird sowieso im Teegarten angebaut.
Der höchstgelegene Gipfel mit Teeanbau (in Indien)
Plötzlich bleiben wir stehen und blicken zu einem kleinen Gipfel. Das hier ist die höchste Erhebung in ganz Indien, auf der Tee angebaut wird, Shilajit erzählt voller Stolz und Inbrunst „This is the highest peak for tea growing in the entire world!!“ Rajkumar flüstert mir zu „There is a slightly higher one in Kenya, but he doesn’t want anybody to know.“ Ich mag die beiden, sie sind wie ein altes Ehepaar.
Nach der ausführlichen Tour durch den Teegarten und einer Verkostung in der Factory machen wir uns auf den Weg in den Gäste-Bungalow. Es wird langsam kalt hier oben, aber unsere offenen Kamine in den Zimmern sind bereits mit dicken Baumstämmen vorgeheizt. Es gibt zwei Paar Wolldecken und Whiskey zum Warmhalten. Duftendes Curry wartet bereits auf uns, es ist ein Festmahl für mich! Dank des mangelnden Mobilempfanges genießen wir den Abend „old school“ mit Kaminfeuer, einem Drink und guten Gesprächen.
Am nächsten Morgen wache ich auf, das Feuer glimmt noch müde im Kamin und ich wage einen kleinen Morgenspaziergang. Nebel liegt in den Tälern des Teegartens, Vögel zwitschern ihren Morgengesang und ich bin mir sicher, dass es im Paradies auch keinen Handyempfang gibt. Gott sei Dank!